Im Zeitraum 1941 bis 1945 haben die Nazis im Umkreis von Łomża 57 Massenhinrichtungen in 40 Ortschaften begangen. Es wurden über 30 000 Zivilpersonen ermordet. In vier Wäldern in der Umgebung der Stadt Łomża fanden mindestens 9 dokumentierte Hinrichtungen statt sowie einige weitere, die bisher nicht dokumentiert wurden. Drei von ihnen erfolgten auf einer Waldlichtung unweit des Dorfes Jeziorko im Sommer 1942 sowie im Juni und Juli 1943.

Das Buch „Jeziorko – Ort des nationalen Gedenkens“ enthält Ergebnisse von 60 Jahren Forschungen über Naziverbrechen in der Waldlichtung unweit von Jeziorko aufgrund der glaubwürdigen Quellendokumente – von der Exhumierung der Aschen im Jahre 1945 bis zum Beschluß des Institutes für Nationales Gedenken im Jahre 2005.

Das Buch – Fremdenführer durch den im Jahre 2007 renoviertem Friedhof – erzählt seine lange Geschichte. Der Friedhof wurde nicht nur zum Ort der Jubiläumsveranstaltungen, aber auch zur Gedenkstätte aller, die nach dem polnischen Wahlspruch „Gott, Ehre und Vaterland“ ihr Leben dort opferten.



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INHALTSVERZEICHNIS



H I S T O R I S C H E   B E G R I F F E

JEZIORKO – ORT DES NATIONALEN GEDENKENS

L A N D K A R T E

L A G E P L A N

DIE GREISE

DIE HÄFTLINGE

DIE GEISELN DER STADT ŁOMŻA

DIE GESCHICHTE DES FRIEDHOFS

F R I E D H O F S B E S I C H T I G U N G

W I K I P E D I A





HISTORISCHE BEGRIFFE

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Archiv Neuer Akten in Warschau – Zentrales staatliches Archiv, das die nach 1918 entstandenen Dokumente sammelt, seit 1990 auch Dokumente aus dem ehemaligen Archiv der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR).

ZK PVAP (KC PZPR) – Zentralkommitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei – Leitung der 1948 gegründeten Partei, die die Prinzipien der Doktrin des Kommunismus und der Tradition der Arbeiterbewegung befolgte. Die PVAP war immer (die Selbstauflösung fand am 29.I. 1990 statt) eine Massenorganisation, die den autoritären Staat und die zentral gesteuerte Wirtschaft regierte.

Generalgouvernement – Die am 26.X.1939 aus dem Teil der besetzten polnischen Hoheitsgebiete gebildete Verwaltungseinheit, die nicht zum III. Reich eingegliedert wurde. Wurde vom Generalgouverneur Hans Frank mit dem Sitz in Krakau regiert.

Ostpreussen – Eine der Provinzen der III. Reiches, bestehend bis 1945. Seit 1945 zwischen Polen und Sowjetunion geteilt. Gegenwärtig Warmia i Mazury – (Ermland und Masuren) als nordöstliche polnische Gebiete.

Hauptkommission zur Erforschung der Naziverbrechen in Polen – (Główna Komisja Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce) bestand im Zeitraum 1945 bis 1991, wurde 1991 in Hauptkommission zur Erforschung der Verbrechen gegen das polnische Volk (Główna Komisja Badania Zbrodni przeciwko Narodowi Polskiemu) umbenannt. Beschäftigte sich mit Untersuchung, Dokumentation, Archivierung und Forschung von Nazi- und Stalin-Verbrechen.

Institut für Nationales Gedenken – (Instytut Pamięci Narodowej – IPN) – Im Jahre 2000 gegründet, sammelt Dokumente der Sicherheitsbehörden der Volksrepublik Polen, führt Untersuchungen über Nazi- und kommunistische Verbrechen sowie Aufklärung darüber.

Kommission zur Verfolgung der Verbrechen gegen das polnische Volk – (Komisja Ścigania Zbrodni Przeciwko Narodowi Polskiemu) – Abteilung des Institutes für Nationales Gedenken zur Verfolgung der Nazi- und kommunistischer Verbrechen (u.A. Fortsetzung der Tätigkeit der Zentralen Kommission zur Erforschung der Naziverbrechen in Polen und der Zentralen Kommision zur Erforschung der Verbrechen gegen das polnische Volk).

Rat zur Pflege der Gedenken des Kampfes und des Martyriums – (Rada Ochrony Pamięci Walk i Męczeństwa) – Beratungsorgan des Ministerrates, im Jahre 1947 berufen, (seit 1988 in Rat zur Schutz der Denkmäler des Kampfes und des Martyriums – (Rada Ochrony Pomników Walki i Męczeństwa) zum Schutz der Orte des Kampfes und der Martyriums. Beschäftigt sich mit der Erforschung der Orte des Kampfes und des Martyriums, mit der Pflege der Grabstätten der Kriegsopfer, der polnischen Soldatengräber hierzulande und im Ausland, sowie der Orte der Massenhinrichtungen der Zivilbevölkerung.

Die Londoner Exilregierung, mit vollem Namen „Die Regierung der Republik Polen im Exil“ wurde am 1. Oktober 1939 vom Botschafter Władysław Raczkiewicz in Frankreich berufen. Die bisherige polnische Regierung wurde vorher in Rumänien interniert. Die Exilregierung sicherte das ununterbrochene rechtliche Bestehen des polnischen Staates. Sie bestand bis Juli 1945. Nach dem Fall Frankreichs wurde sie nach London verlegt. Im Dezember 1940 wurde die Vertretung der Regierungsverwaltung in Polen berufen, die im Untergrund die Verwaltungen der Wojewodschaften, Kreise und Städte organisierte. Der Vertreter der Regierung im Lande, als Stellvertretender Ministerpräsident, (zuletzt Jan Stanisław Jankowski) der die Decknamen „Doktor“ und „Soból“ benutzte, unterhielt eine ständige Funkverbindung mit der Exilregierung in London. Er wurde im März 1945 von den Sowjets verhaftet und ist nach einem Scheinprozess im Moskauer Gefängnis gestorben.

Die Landesarmee (Armia Krajowa, AK) – Schon am 27. September 1939 hat General Karaszewicz-Tokarzewski eine Untergrundorganisation unter dem Namen „Dienst dem Siege Polens“ (Służba Zwycięstwu Polski) gegründet, von der Exilregierung in „Bund des Bewaffneten Kampfes“ (Związek Walki Zbrojnej) und weiter am 14. Februar 1940 in „Landesarmee“ umbenannt.

Die Landesarmee bildete einen Teil der polnischen Streitkräfte und unterlag wie die an der Westfront kämpfenden Einheiten dem polnischen Oberbefehlshaber.

Seine Vertreter im Lande waren General Stefan Rowecki „Grot“ und nach seiner Festnahme 1943 General Tadeusz Komorowski „Bór“. Die Kämpfer der Landesarmee lebten unerkannt als Zivilisten, Angestellte, Bauern usw. und wurden nur zur Teilnahme an konkreten Kampfaktionen berufen. Es gab auch Partisaneneinheiten in der Wäldern des Kreises Białystok und in den Świętokrzyskie-Bergen.

Der Oberbefehlhaber hat u.A. befohlen, durch Sabotageakten die deutsche Offensive im Osten zu stören. Das galt insbesondere dem Bezirk Białystok, durch den die Eisenbahntransporte mit der Wehrmachtsverpflegung rollten. Auf den Befehl des Obersten Władysław Liniarski „Mścisław“ wurden Gleise gesprengt, explodierten Munitionstransporte, es wurden Spitzel, Gendarmen und Beamte der Besatzungsbehörden liquidiert. Die Nazis antworteten mit Terrorakten, wie die Massenhinrichtung am 15. Juli 1943.

JEZIORKO – ORT DES NATIONALEN GEDENKENS

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Am 1. September 1939 hat die deutsche Wehrmacht Polen angegriffen. 17 Tage später, aufgrund des geheimen Zusatzprotokolls zum Ribbentrop-Molotow-Pakt, rückte vom Osten die Sowjetarmee ein. Die westliche Hälfte Polens fiel unter die deutsche Besatzung, die östlichen Gebiete wurden an die Sowjetunion angeschlossen. Aber der polnische Staat bestand völkerrechtlich weiter. Es wurde in London eine Exilregierung gegründet, und in Polen entstand eine Widerstandsbewegung – die Landesarmee – Armia Krajowa.

Die Stadt Łomża mit dem umliegenden Kreis (insgesamt etwa 170.000 Einwohner) wurde zum Gebiet der weissrussischen Sowjetrepublik angeschlossen.

Nach dem 22. Juli 1941 wurde das Gebiet von der Wehrmacht besetzt und die sowjetische Besetzung wurde durch die deutsche ersetzt. Die Einwohner (Polen, Juden und Zigeuner) wurden Opfer der Verfolgung und Ausrottung.

Nach der Forschungen der Zentralen Kommission zur Erforschung der Naziverbrechen in Polen, auf dem Gebiete der ehemaligen Wojewodschaft Łomża begangen die Nazis im Jahre 1939 und 1941-45 etwa 988 Gräueltaten in 486 Ortschaften, in denen insgesamt 36.790 Einwohner zum Opfer fielen, darunter 24.955 Juden, 11.683 Polen und 152 Zigeuner.

Am 15. Juli 1941 unterzeichtete Adolf Hitler eine Verordnung über Bildung des Sonderbezirkes Białystok mit sieben Kreiskommisariaten. Der Białystoker Bezirk, dem auch der Kreis Łomża angehörte, war tatsächlich ein Sonderbezirk. Vom Generalgouvernement, wo die Polen ein Minimum von Freiheit hatten, wurde er abgegrenzt. Auch vom benachbarten Ostpreussen wurde er abgegrenzt, wurde jedoch vom Reichverteidigungskommisar für Ostpreußen, Erich Koch, verwaltet. Seit September 1942 verwaltete Koch das Gebiet von Königsberg bis zum Schwarzen Meer. Übrigens wurde Koch im Jahre 1959 für u.A. im Kreis Łomża begangene Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt, aber das Urteil wurde wegen der Krankheit nicht vollstreckt. Er starb im polnischen Gefängnis 1986.

Die polnische Bevölkerung wurde im Sonderbezirk Białystok fast wie Sklaven behandelt, nur etwas milder als die zur totalen Ausrottung bestimmten Juden und Zigeuner. Alle Schulen wurden geschlossen. Es galt eine allgemeine Arbeitspflicht, auch für Jugendliche. Auf Lebensmittelkarten bekamen die Polen Hungerrationen. Alle Industrieanlagen wurden von den Nazis beschlagnahmt, auch grössere Läden. Die Todesstrafe drohte sogar für das Backen von Weissbrot, übermässigen Verbrauch von Elektroenergie, verspätete Ablieferung von Getreide usw. Schon Ende Juni 1941 wurden auf dem Friedhof von Łomża erste Opfer hingerichtet. Einige Tage später begann die Hinrichtung der Einwohner von Łomża in umliegenden Wäldern, und die Anzahl der Opfer wuchs ständig. Die Anzahl der Opfer der von der Gendarmerie und Gestapo verübten heimlichen und öffentlichen Massenmorde betrug sogar Hunderte. Die Hinrichtungen sollten die polnische Bevölkerung einschüchtern und zur Unterstützung der Widerstandbewegung entmutigen. Das alles war ein Teil der Nazi-Ausrottungspolitik gegenüber den unterjochten Völkern, zuerst von Juden und Zigeunern, dann auch möglichst vieler Polen.

Łomża war kein Ausnahmefall. Überall im besetzten Polen wurden Massenmorde durchgeführt, manchmal unter dem Vorwand von Bestrafung von Sabotageakten. Besonders oft wurden die Vertreter der gebildeten Schichten ermordet – Ärzte, Lehrer, Priester usw. Das sollte den Wiederaufbau Polens nach dem von den Nazi verlorenen Krieg erschweren.

Nach den gesammelten Dokumenten, auf dem Gebiete des heutigen Kreises Łomża wurden während der gesamten Nazi-Besatzung 13.556 Personen in 74 Ortschaften ermordet. 13.027 Personen davon sind in Massenhinrichtungen getötet worden, d.h. wo es auf einmal mindestens 10 Opfer gab. Es gelang nur 292 Personen zu identifizieren. Der Rest bleibt bis heute namenslos.

Neben der Polen fielen auch die Juden von Łomża dem Naziterror zum Opfer. Ein Teil von ihnen wurde in den nahegelegenen Wäldern hingerichtet (im „Giełczyn“ Waldgebiet ruhen Leichen von 5 000 Polen und 7 000 Juden), der Rest der Juden starb in den Gaskammern der Todeslager Treblinka, Sobibór und Bełżec. Fast keinem der Juden von Łomża gelang es zu überleben, darum bleiben diese Opfer für immer namenslos.

Die polnische Widerstandsbewegung (der Delegierte der Londoner Exilregierung) bemühten sich, die Naziverbrechen zu registrieren. Alle Angaben über Massenhinrichtungen wurden gesammelt und nach London überwiesen. Dank diesen Angaben, sowie den Augenzeugenberichten und den Gerichtsdokumenten der Nachkriegszeit, wurden glaubwürdige Listen der Opfer, auch von geheimen Hinrichtungen, zusammengestellt. Drei von diesen Hinrichtungen fanden auf der Waldlichtung unweit vom Dorfe Jeziorko statt. Diesen Hinrichtungen ist dieses Buch gewidmet.

D I E   G R E I S E

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Schon in der Vorkriegszeit wurde im Dorfe Pieńki Borowe bei Jedwabne ein Altersheim errichtet. Nach dem Einmarsch der Nazitruppen wohnten dort einige Dutzend Personen im Alter von 60 bis 70 Jahren und das Bedienungspersonal (Köchinen, Putzfrauen, Hausmeister usw.). Von der deutschen Kreisverwaltung erhielt das Altersheim keine Hilfe, wie Lebensmittel, Heizmaterial usw. Im Frühling 1942 wandte sich die Altersheimverwaltung um Hilfe an die Kreisverwaltung. Statt der Hilfe kamen um 4-5 Uhr früh Gendarmen, die angeblich die Greise in ein anderes Altersheim des Kreises Białystok bringen sollten. Stattdessen fuhren die LKWs in den Wald unweit des Dorfes Jeziorko, wo die Opfer mit Pistolenschüssen getötet und in einem früher von den Sowjets hinterlassenem Aushub begraben wurden. Und das war das Ende des Altersheimes in Pieńki Borowe.

Es sind keine Dokumente des Altersheimes erhalten. Nach Augenzeugenberichten wurden im Walde etwa 60 Greise ermordet. Es ist gelungen, die Namen von 13 Opfern festzustellen:
                  1. Aniołkowska
                  2. Bączkowski
                  3. Jankiewicz – etwa 70 Jahre alt
                  4. Kamiński – etwa 70 Jahre alt
                  5. Kuczyńska Zofia – etwa 60 Jahre alt
                  6. Lipińska Zofia – etwa 60 Jahre alt
                  7. Łapińska
                  8. Łopuszyńska (oder Łopuszańska) – etwa 70 Jahre alt
                  9. Mankiewicz – etwa 70 Jahre alt
                10. Mankiewiczowa
                11. Matuszewski
                12. Sadowski – etwa 70 Jahre alt
                13. Załęcka

                 Die übrigen Opfer sind namenslos geblieben.

D I E   H Ä F T L I N G E

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Im Frühling 1943 wurden die Einwohner des Dorfes Jeziorko von den Nazis gezwungen, neben dem Massengrab der Greise zwei weitere große und tiefe Graben auszuheben. In der Nacht vom 29. auf 30. Juni 1943 wurden dort einige Dutzend Häftlinge aus dem Gefängnis in Łomża hingerichtet. Das Verbrechen wurde sofort in Jeziorko bekannt. Die Namen der Hingerichteten blieben jedoch viele Jahre unbekannt.

50 Jahre lang blieben die Namen der Opfer unbekannt. Erst 1994 wurde im Archiv Neuer Akten in Warschau die Liste der Hingerichteten aus dem Łomżaer Gefängnis entdeckt, die vom Delegierten der Exilregierung schon im September 1943 nach London überwiesen wurde. Leider wurde die gesamte Dokumentation nach dem Kriege vom Archiv der PVAP übernommen und blieb damals unerreichbar. Erst nach der Wende wurden die Dokumente im öffentlichen Archiv zugänglich. Es steht fest, dass in der Nacht vom 29. auf 30. Juni 1943 auf der Waldlichtung Jeziorko 62 politische Häftlinge hingerichtet wurden:

                Arkuszewska Maria
                Bagiński Józef
                Bielak Jerzy
                Budziszewski Czesław
                Czołomiej Antoni
                Dmochowski Władysław
                Godlewski Stanisław
                Godlewski Władysław
                Golalowski Jan
                Golarski Antoni
                Grosman Adolf
                Gumiężny Jan
                Heichenbach Antoni
                Hykach Hieronim
                Ignatowicz Józef
                Ignatowicz Zofia
                Kocorowski Piotr
                Kozłowski Tomasz
                Krawczyk Stanisław
                Michalik Marcin
                Modzelewska Stanisława
                Mroczkowski Edward
                Mystkowska Marcela
                Najda Wincenty
                Niedzielski Jan
                Pacuszka Stanisław
                Pieczyński Bolesław
                Piszyńska Zofia
                Plachciński Kazimierz
                Plackowski Stefan
                Plicki Józef
                Plotczyk Wacław
                Różański Władysław
                Ritel Józef
                Sowiński Edward
                Staniaszek Józef
                Steć Józef
                Stękowski Jan
                Stokowski Aleksander
                Stokowski Teodor
                Studzińska Zofia
                Sutkowski Józef
                Szarnacki Stanisław
                Tomczuk Stanisław
                Trąbka Ludwik
                Trąbka Stefan
                Trochimiak Józef
                Uściński Józef
                Walczuk Stanisław
                Wiszniewska Ewa
                Wiszniewska Helena
                Wiszniewski Franciszek
                Wiszniewski Józef
                Wiszniewski Mieczysław
                Wiszniewski Stanisław
                Wojłkowski Antoni
                Zakrzewski Kazimierz
                Zakrzewski Stanisław
                Zakrzewski Władysław
                Zalewski Aleksander
                Zaręba Jan
                Zubert Piotr

DIE GEISELN DER STADT ŁOMŻA

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Am frühen Morgen, am Donnerstag, den 15. Juli 1943 schockierte die Einwohner von Łomża die Nachricht, dass die Nazis ganze Familien verhaften und im Gefängnis einsperren. Es werden alle festgenommem – Erwachsene, Kinder und Greise. Die Nachricht war so überraschend, da es bisher keine Massenverhaftungen ganzer Familien gab.

Alle Verhaftungen verliefen nach dem gleichen Schema: Nach dem Betreten der Wohnung prüften die Gendarmen flüchtig die Identität der Anwesenden und durchsuchten eilig die Wohnung nach dem Geld, den Juwelen und anderen wertvollen Gegenständen, die sie als „privaten Nebenverdienst“ in die Taschen steckten. Alle Anwesenden sollten sich anziehen, die Wohnung schließen und die Schlüssel den Gendarmen übergeben.

Für die Einwohner von Łomża blieb die Ursache der Verhaftung unklar, bis die Bekanntmachung erschien:


B e k a n n t m a c h u n g


Neuerdings kommen im Bezirk Białystok öfters Überfälle auf Reichsdeutsche und die örtliche Bevölkerung vor.

1. Am 6. VII. 1943 auf der Straße Wołkowysk-Piaski wurden der Kreismedizinrat Dr. Mashur aus Wołkowysk und sein Kraftfahrer polnischer Nationalität erschossen.
2. Am 7. VII. 1943 haben unbekannte Täter in Białystok den Reichsdeutschen Hugo Berg während des Wachtdienstes erschossen.
3. Am 8. VII. 1943 haben bisher unbekannte Täter in Białystok die Polin Stefania Koch erschossen.
4. Am 7. VII. 1943 während derVerfolgung von Banditen wurde der Amtskommisar von Wasilków, Kreis Białystok, von ihnen schwer verletzt. Er ist seinen Wunden erlegen.
5. Am 11. VII. 1943 in der Nähe von Dąbrówka, Kreis Łomża wurden heimtückisch durch die Banditen 5 Soldaten, 3 Gendarmen und 1 Fuhrmann polnischer Nationalität erschossen, sowie noch ein Soldat und 1 Polizist örtlicher Volkszugehörigkeit schwer verwundet.

Als Vergeltung für das Obengenannte und zur Beruhigung der Lage im Bezirk Białystok wurden folgende maßnahmen unternommen:
Zu 1. Es wurde das des Banditismus verdächtige Dorf Szaulicze Kreis Wołkowysk niedergebrannt.
Zu 2. Es wurden 50 festgenommene örtliche Einwohner der Stadt Białystok hingerichtet, die Anhänger oder Teilnehmer der polnischen Widerstandsbewegung waren.
Zu 3. Es wurden 25 festgenommene örtliche Einwohner der Stadt Białystok hingerichtet, die Anhänger oder Teilnehmer der polnischen Widerstandsbewegung waren.
Zu 4. Es wurden 50 des Banditismus oder Teilnahme in der polnischen Widerstandsbewegung verdächtige Einwohner des Dorfes Wasilków hingerichtet.
Zu 5. Es wurden 1000 des Banditismus bzw. Teilnahme in der polnischen Widerstandsbewegung verdächtige Einwohner des Kreises Łomża erschossen, ihr Besitz wurde beschlagnahmt und ihre Häuser zerstört.
Darüber hinaus wurden in allen Kreisstädten je 19 Personen – Ärzte, Rechtsanwälte, Beamte und Lehrer mit Familien hingerichtet, da sie Anhänger oder Teilnehmer der polnischen Untergrundbewegung waren. Der Besitz der Hingerichteten wurde beschlagnahmt.

Mit vollem Ernst wird die Bevölkerung aufmerksam gemacht, dass die deutschen Behörden den friedlichen und hilfsbereiten Teil der Einwohner beschützen werden, aber rücksichtslos gegen die Stifter von Unruhen, Anhänger der polnischen Untergrundbewegung und Bandenmitglieder verfahren werden.

Weitere Überfälle auf die Reichsdeutschen und die örtliche Bevölkerung werden noch strengere Maßnahmen verursachen, insbesondere gegen die ideologischen Anführer der Widerstandsbewegung. Im eigenen Interesse der örtlichen Bevölkerung liegt alles, was zur Unschädlichmachung dieser Verbrecher, oder zur Verhinderung von Straftaten beiträgt.

Białystok, den 15. Juli 1943
Der Kommandant
der Sicherheitspolizei und SD
für den Kreis Białystok


Jetzt wurde alles klar. Den festgenommenen Einwohnern von Łomża (einer der sieben Städte des Kreises Białystok) drohte die Hinrichtung.

Die Hinrichtung wurde am 15. Juli 1943 vollgestreckt. Der Konvoi aus dem Łomżaer Gefängnis kam auf die Waldlichtung Jeziorko, wo schon früher ein Graben ausgehoben war. Wahrscheinlich wurden die Opfer auf dem Rande des Grabens mit dem Feuer von Maschinenwaffen getötet. Die Täter waren Mitglieder einer Spezialeinheit, berufen vom Gauleiter Ostpreussens, Erich Koch. Es waren Ukrainer und Litauer in SS-Uniformen sowie örtliche Gendarmen und Gestapofunktionäre. Die Leichen der Hingerichteten wurden von den Schergen mit einer dünnen Schicht Erde zugeschüttet.

Einige Tage danach wurden die Wohnungen der Ermordeten liquidiert, die Möbel in ein Lager gebracht, die Schlüssel wurden den neuen Einwohnern übergeben.

Nach den geprüften Beweisen wurden am 15. Juli 1943 auf der Waldlichtung unweit des Dorfes Jeziorko folgende Opfer hingerichtet (Familienhaupt an 1. Stelle)

   1. Barański Kazimierz, 70 Jahre alt, Angestellter im Ruhestand, festgenommen und hingerichtet mit seiner Tochter Helena Kordaszewska und ihrem Ehemann.
   2. Borawski Józef, geb. 29.IV.1917 - Organist.
   3. Borawska Marianna, etwa 23 Jahre alt – Ehefrau von Józef (schwanger).
   4. Borawska Róża, 1 Jahr und 8 Monate alt – Tochter von Józef und Maria.
   5. Borawski Tadeusz, geb. 15.V.1925 – Bruder von Józef.
   6. Chrzanowski Czesław, etwa 30 Jahre alt, Bauer, amtierender Dorfschulze.
   7. Chrzanowska Leokadia, geb. 10.X.1924 – Schwester von Czesław.
         Entkommen dem Tode: – während der Festnahme abwesend – Piotr Chrzanowski, Bruder von Czesław.
   8. Dynowska Janina, Mutter der Irena Komornicka. Erblindet. Festgenommen und hingerichtet zusammen mit ihrer Tochter und deren Familie.
   9. Figurski Piotr, geb. 1890 – Finanzbeamter.
10. Figurska Helena, geb. 1895 – Ehefrau von Piotr.
11. Figurska Janina, geb. 1923, Tochter von Piotr und Helena, Beamtin.
12. Figurska Regina, geb. 1928 – Tochter von Piotr und Helena.
         Entkommen dem Tode: – während der Festnahme abwesend – Sohn von Piotr und Helena – Piotr Figurski.
13. Hojak Kazimierz, 39 Jahre alt – Lehrer.
14. Hojak Irena, 29 Jahre alt, Lehrerin – Ehefrau von Kazimierz.
15. Hojak Wiesław, 4 Jahre alt – Sohn von Kazimierz und Irena.
16. Hryniewiecki Józef, geb. 19.III.1884 – Lehrer. Vater von Henryka-Maria Tyszka.
17. Hryniewiecka Antonina, geb. 13.VI.1889 – Ehefrau von Józef. Lehrerin.
18. Komornicki Tadeusz-Urban, geb. 6.IX.1901 – Rechtsanwalt. Besaß in Łomża eine Kanzlei.
19. Komornicka Irena, geb. Dynowska, geb. 1908 – Ehefrau von Tadeusz, im 6. Monat schwanger.
20. Komornicki Adam-Józef, geb. 2.XII.1934 – Sohn von Tadeusz und Irena.
21. Komornicka Anna-Maria, geb. 31.I.1938 – Tochter von Tadeusz und Irena.
22. Komornicka Zofia-Teresa, geb. 26.VI.1941 – Tochter von Tadeusz und Irena.
23. Kordaszewski Józef, 54 Jahre alt – Rechtsanwalt.
24. Kordaszewska Helena geb. Barańska, 52 Jahre alt – Ehefrau von Józef.
25. Lubowicki Aleksander, 70 Jahre alt – Gymnasiallehrer im Ruhestand. Teilnehmer des geheimen Unterrichtes.
26. Lubowicka Maria, 65 Jahre alt, Lehrerin – Ehefrau von Aleksander.
27. Lubowicka Zofia, 20 Jahre alt – Tochter von Aleksander und Maria Teilnehmerin des geheimen Unterrichtes.
28. Próchnicki Jan – Steuerbeamter im Ruhestand.
29. Próchnicka Natalia – (Ehefrau) – Angaben fehlen.
30. Próchnicka Danuta – Angaben fehlen.
31. Próchnicka Janina – Angaben fehlen.
32. Próchnicka Mirosława – Angaben fehlen.
33. Próchnicki Cezary – Angaben fehlen.
34. Próchnicki Jerzy – Angaben fehlen.
35. Próchnicki Krzysztof – Angaben fehlen.
36. Próchnicki Tadeusz – Angaben fehlen.
37. Próchnicki Zbigniew – Angaben fehlen.
       Trotz 2 Jahre dauernden Forschungen (u.A, 200 Anfragen) wurde nur festgestellt, dass die Familie Próchnicki in der Piękna-Straße wohnte und dass der Familienhaupt (vielleicht Jan Próchnicki) ein Steuerbeamter im Ruhestand war und dass er nebenberuflich Holzfiguren schnitzte.
38. Sadkowski Piotr, 30 Jahre alt – Ingenieur.
39. Sadkowska Helena, 30 Jahre alt – Ehefrau von Piotra.
40. Sadkowska Jadwiga, 7 Jahre alt – Tochter von Piotr und Helena.
41. Sadkowska Wanda, 4 Jahre alt – Tochter von Piotr und Helena.
42. Siwik Witold, 33 Jahre alt – Beamter der Versicherungsgesellchaft.
43. Siwik Stanisława, 37 Jahre alt – Krankenschwester, Schwester von Witold, wohnte bei ihm.
44. Smurzyński Marian - Antoni, geb. 21.XII.1899 – Kaufmann und wirtschaftlicher Funktionär. Inhaber eines der grössten Lebensmittelgeschäften in Łomża. War in der geheimen Widerstandsbewegung tätig.
45. Smurzyńska Antonina, geb. 13.VI.1897 – Ehefrau von Marian. Bankbeamtin in Łomża.
       Entkommen dem Tode: – während der Festnahme abwesend – Sohn von Marian und Antonina – Jerzy Smurzyński, geb. 1928.
46. Szulc Józef, geb. 23.I.1915 – katholischer Priester. War Mitglied und Feldkaplan der Landarmee.
47. Tyszka Tadeusz, geb. 1908 – Lehrer.
48. Tyszka Henryka-Maria, geb. 11.VII.1912 – Ehefrau von Tadeusz. Lehrerin.
49. Tyszka Jerzy-Zbigniew, geb. 21.IV.1934 – Sohn von Tadeusz und Henryka.
50. Tyszka Andrzej-Janusz, geb. 8.IV.1937 – Sohn von Tadeusz und Henryka.
       Sowie (nach Angaben des Institutes für Nationales Gedenken – Zweigstelle Białystok):
51-52. mindestens zwei Mitglieder der Mogielnicki Familie.

DIE GESCHICHTE DES FRIEDHOFS

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Der Friedhof in der Waldlichtung unweit des Dorfes Jeziorko entstand am Frühling 1945. In drei Grabhügeln wurden die Aschen der Opfer bestattet. Die Leichen wurden von dem Nazi-Sonderkommando 1005 unmittelbar vor dem Rückzug eingeäschert, um die Beweise des Verbrechens zu tilgen. Der Friedhof wurde am 15. Juli 1945 vom Bischof Ordinarius von Łomża, Stanisław Kostka Łukomski festlich eingeweiht.

Das Aussehen des Friedhofs änderte sich mit der Zeit, je nach den aktuellen Tendenzen. In den Jahren 1950 – 2000 wurde der Waldfriedhof hauptsächlich von den Familienangehörigen der Opfer und von den Schulkindern aus Jeziorko und Umgebung gepflegt. Manchmal wurden dort Totenmessen abgehalten, unter Teilnahme der Delegierten verschiedener Organisationen und Behörden.

Im Zeitraum von über fünfzig Jahren entstanden verschiedene, oft ungenaue, Beschreibungen des Verbrechens und Listen der Hingerichteten, ohne jeden Beweis anhand von Fakten und Quellendokumenten.

Der letzte durch Zufall am Leben gebliebene Zeuge des Verbrechens vom 15. Juli 1943, der Journalist Jerzy Smurzyński, hat sich mehrere Jahre lang mit der Erforschung der Geschicke der Einwohner des Kreises Łomża beschäftigt. Er versuchte die ungenauen oder falschen Angaben zu berichtigen. Der Durchbruch in der Forschung erfolgte 1994 – 1996, als Smurzyński in der Suche nach Dokumenten über Naziverbrechen den Kontakt mit der Hauptkommission zur Erforschung der Verbrechen gegen das polnische Volk aufnahm. Er konnte die gesammelten Dokumente prüfen, bildete auch eine eine eigene Dokumentensammlung (Fragebogen, Augenzeugenberichte, Lichtbilder). Aufgrund der obengenannten Dokumente schuf er das Werk „Massenverbrechen der Nazis begangen 1939 und 1941 bis 1945 im Kreis Łomża“, das er am 18. Januar 1996 der Wissenschaftlichen Bibliothek der Hauptkommission zur Erforschung der Verbrechen gegen das polnische Volk des Institutes für Nationales Gedenken in Warschau übergab.

Diese Abhandlung, sowie beigelegte Quellentexte, wurden zur wichtigsten Dokumentation der Untersuchung, geführt in Jahren 2003 bis 2005 durch die Białystoker Zweigstelle des Institutes für Nationales Gedenken über die Massenhinrichtungen polnischer Bürger durch Nazischergen 1941 bis 1945 in der Nähe des Dorfes Jeziorko.

Der Beschluß des Institutes für Nationales Gedenken vom 12. September 2005 bestätigte endgültig (mit einer Ausnahme) alle von Jerzy Smurzyński festgestellten Tatsachen und Namen.

Aufgrund dieses Beschlusses hat auf Antrag von Jerzy Smurzyński der Rat zur Pflege der Gedenken des Kampfes und des Martyriums als Ort des Nationalen Gedenkens anerkannt. Dank den erhaltenen Subventionen wurde das Gelände in Ordnung gebracht. Der renovierte Friedhof wurde feierlich am 14. Juni 2007 eingeweiht.

Wie schon erwähnt, wird der Waldfriedhof seit Jahren von den Schülern der Volksschule in Jeziorko sorgfältig gepflegt. Wie ihre Väter und Großväter, besuchen sie den Ort, der so wichtig für jeden Einwohner von Łomża ist. Das Engagement der Schule und deren Lehrer wurde vom Rat zur Pflege der Gedenken des Kampfes und des Martyriums bemerkt und hoch anerkannt. Während der feierlichen Einweihung wurden die Volksschule in Jeziorko, ihre Direktorin Frau Halina Chełstowska sowie die Organisatorin zahlreicher Veranstaltungen auf dem Friedhofsgelände, Frau Beata Sejnowska-Runo, mit den höchsten Auszeichnungen des Rates – Goldenen Medaillen des Betreuers des nationalen Gedenkens – geehrt.

Im Herbst jedes Jahres finden auf dem Gelände des Friedhofs Vorlesungen über die Geschichte des Ortes statt, mit Teilnahme der älteren Schüler aus den benachbarten Schulen, geführt von der Frau Beata Sejnowska-Runo, die die Pflichten des freiwilligen Kustos dieses Ortes des Nationalen Gedenkens erfüllt. Die Grabstätten und die Grabinschriften erzählen mehr, als die klügsten Worte. Und die alten, rauschenden Bäume, stumme Augenzeugen der Tragödie, und die Stimmung der Waldlichtung hinterlassen immer einen tiefen Eindruck im Gedächtnis junger Besucher des Friedhofs.

F R I E D H O F S B E S I C H T I G U N G

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Übersetzung: Jan Rubinowicz